Als Geschäftsführer eines IT-Systemhauses sieht man permanent neuen, spannenden, aber auch herausfordernden Aufgaben entgegen, dessen Bewältigung sowohl aufreibend als auch erfüllend sein können. Eine dieser Herausforderungen, und das betrifft sicher nicht nur die IT-Branche, ist dem Mangel an gut- und hochqualifizierten Mitarbeitern mit smarten Ideen entgegenzutreten und parallel den steigenden Sicherheitsbedürfnissen der Kunden gerecht zu werden.
Die Balance zwischen der Gestaltung eines höchst attraktiven Arbeitsplatzes für Fachkräfte und der Weiterentwicklung des eigenen Angebots an Dienstleistungen ist häufig ein Drahtseilakt. Viele weitere Faktoren tragen sicherlich nicht der Vereinfachung der Bewältigung dieser Herausforderungen bei: die gesamtwirtschaftliche Lage, steigende Gehälter, steigende sonstige Betriebsausgaben, Wiederaufbau des Teamfeelings nach Corona, um nur einige zu nennen.
Eine diskutierbare Variante ist sicherlich die Expansion in andere Regionen. Und genau dieser Ansatz war es, der uns dazu brachte, eine Strategie zu erarbeiten, die erfolgsversprechend sein würde.
Schnell war uns klar, dass der Fachkräftemangel kein deutsches, vielmehr ein globales Problem ist. Da eines unserer Ziele jedoch ist, einen kompetenten – und damit meine ich nicht Azubis in der Spätschicht- 24 Stunden Support unseren Kunden anzubieten, wurde recht rasch klar, dass wir unsere Expansion in einer anderen Zeitzone durchführen würden.
Die Puzzleteile fügten sich mehr und mehr zusammen. Da wir ohnehin bereits US-amerikanische Kunden bedienen und ich persönlich schon länger den Wunsch hatte, einige Zeit in den Staaten zu verbringen, waren zwei Dinge beschlossen: Erstens, es geht in die USA, zweitens, ich würde die US-Gesellschaft gründen und vor Ort führen.
Doch wie findet man in einem so großen Land wie den USA den richtigen Standort? Dass diese Frage hunderte Stunden und tausende Meilen Fahrt bedeuten würden, war mir ehrlich gesagt zu Beginn nicht bewusst, aber es galt: Weniger labern – mehr machen.
Und so buchte ich im November vergangenen Jahres Tickets für mich und meine Familie, um zuvor ausgesuchte potenzielle Standorte zu besuchen und einzuschätzen.
Unsere Reise begann in New York. Nicht etwa, weil diese unglaubliche Stadt ein potenzieller Standort war, sondern schlicht, weil das Flugticket besonders rabattiert war. Angekommen am berühmten JFK stellten wir uns der ersten echten Challenge: Das Interview mit dem Immigration-Officer. Dieser wollte nämlich ganz genau wissen, was wir beabsichtigen zutun und wie wir das, was wir tun wollen, finanzieren. Als ich im sagte, dass ich CEO eines IT-Unternehmens war, hatte ich seine volle Aufmerksamkeit. Das Bohren begann, meine Nervosität stieg ins Unermessliche. Wenn ich jetzt einen Fehler machte, hieße das die sofortige Rückkehr nach Deutschland und wahrscheinlich ein Einreiseverbot für eine recht lange Zeit. Ich versuchte also ihm klarzumachen, dass in der heutigen Zeit nahezu jeder online arbeiten könne, ich dies aber definitiv nicht beabsichtige, obwohl ich das ein oder andere geschäftliche Telefonat nicht ausschließen könne. Mit strengen Blicken und den Worten „Welcome in the states“ hatten wir es dann geschafft und ich konnte gar nicht schnell genug nach unseren Pässen greifen und Meter machen.
Von dort aus ging es mit dem Leihwagen – ja, V8 ist Pflicht – über Philadelphia, Washington, Remington nach North- und South Carolina. In Summe verbrachten wir 3 Wochen hier, um möglichst viele Informationen zu sammeln, aber auch um die „echte“ Lebensweise der Amerikaner kennen zu lernen. Daher haben wir uns auch bewusst für die Anmietung einer Wohnung entschieden, die kein Ferienressort ist. Außerdem habe ich ein Co-Workingspace angemietet, um mit anderen Jungunternehmern ins Gespräch zu kommen.
Nach drei Wochen entschlossen wir, weiter nach Florida zu fahren, um für uns festzuhalten, dass dieser traumhafte Bundesstaat leider nicht geeignet sei. Und so kam es tatsächlich. Wir fuhren über Jacksonville (wahnsinnig schön bei Nacht) über Orlando (ja , Pflichtbesuch im Disneyworld musste sein) nach Cape Coral. Dort, wo gefühlt jeder vierte deutsch spricht. Danach weiter über die Everglades nach Miami und den Florida Keys Richtung Key West.
Die atemberaubenden Gegenden zeigten uns vor allem eins auf: Hier leben und arbeiten ist nichts für uns. Die hohe Luftfeuchtigkeit Floridas und die (gefühlt Milliarden) Mosquitos, die es nur auf mich abgesehen hatten, stellten kein optimales Arbeitsumfeld dar.
Es ging also wieder gen Norden. Weihnachten kam näher und meine Frau hatte schon immer den Wunsch an Heilig Abend am Big Apple zu shoppen (ja, auch in dem Geschäft, in dem Kevin Allein zu Haus gedreht wurde). Da wir ohnehin landeinwärts weiterwollten – unsere nächste Station sollte Wisconsin werden – haben wir den Besuch in New York mit der Anmietung eines 30ft Wohnmobils kombiniert.
Am ersten Weihnachtstag machten wir uns auf Richtung Zentralamerika. In Indiana besuchten wir eine deutsche Auswandererfamilie und blieben auch über Nacht. Hier erlangten wir erstmals ungeschönte, wertvolle Informationen, die uns später maßgeblich bei der Standortwahl beeinflussen würden. Dazu später mehr. Am 3. Januar sollten die Chicago Bulls ein Heimspiel haben. Was gabs also besseres, als dort amerikanische Mentalität aufzusaugen, also kaufte ich für mich und meinen ältesten Sohn Tickets. Leider wurden jedoch am 29.12 die Covid-Regularien derart verschärft, dass ein kindgerechter Besuch ausgeschlossen war, daher stornierte ich das Ticket wieder. Angekommen auf einem Truckstop bei Chicago war ich gerade dabei unseren Gastank zu befüllen, als an der Tankstelle ein Cop auf mich zuging. Es war bereits Nacht, es schneite und ich war recht allein an der Zapfsäule. Er konnte also nur zu mir wollen. Innerlich fragte ich mich bereits hektisch, was ich falsch gemacht haben könnte. Und wieder einmal wurde ich von der amerikanischen Freundlichkeit überrascht.
Der Cop war enorm freundlich und fragte mich, wohin ich reisen wolle. Als ich ihm erzählte, was ich vorhatte, riet er mir eindringlich davon ab, diesen Plan weiter zu verfolgen. Ein Blick auf die Wettervorhersage untermauerte diesen Rat. Als wir aus New York losfuhren, checkte ich das Wetter. Leichte Minusgrade, mehr nicht. An diesem Abend jedoch, kurz bevor wir weiter gen Norden fahren wollten, zeigte die Vorhersage ganz andere Werte. Unwetterwarnungen mit bis zu minus 40 Grad Celsius. Das hätten wir vermutlich nicht heil überstanden (Zur Erinnerung: Mit einem Wohnmobil).
Auch hier wurde uns wieder deutlich: Obwohl sehr viele deutsche Firmen in Wisconsin ansiedelten, war diese arktische Kälte genauso schlecht geeignet wie das feuchte Klima in Florida.
Also fuhren wir ein paar hundert Meilen gen Süden und machten bei Kentucky rast. Es galt unser Erkunden auszuweiten. Nächstes Ziel: Germantown, Tennessee.
Diese Stadt in unmittelbarer Nähe zur Metropole Memphis war vielversprechend. Unsere Eindrücke vor Ort bestätigten sich. Diese Stadt hätte auch genauso in Deutschland stehen können. Häuser aus Stein, Mülltonnen in sämtlichen bekannten Farben.
Fest entschlossen, dass es Germantown in Tennessee werden sollte, machten wir uns wieder auf den Rückweg durch das gebirgige West Virginia Richtung National Park in Myrtle Beach, South Carolina.
Uns blieben planmäßig noch gut 14 Tage und wir entschlossen uns letztlich nochmal ins Warme nach South Florida zu fahren. Wir hatten dort einen schönen Campingplatz ausgemacht und genossen ein paar schöne, warme Tage mit Lagerfeuer & Co. Wie es der Zufall will, trafen wir hier auch auf deutsche. Diesmal aber hatte eine Zusammenkunft mit einem deutschen Unternehmer hier in South Florida jedoch entscheidende Impulse gegeben, unsere Entscheidung der Standortwahl abermals zu überdenken.
Wir kombinierten unsere gemachten Erfahrungen mit den Erzählungen des deutschen Pärchens aus Indiana und dem Unternehmer in South Florida und fassten nun ein bis dahin nicht beachteten Bundesstaat ins Auge: Texas, Baby!
Ich recherchierte akribisch und gelang immer wieder zu einer Region: Austin. Austin ist die texanische Hauptstadt und wird auch das Silicon Hill der USA genannt. Der zweitgrößte Tech-Standort der USA schien mir bis dahin „unpassend“. Zu groß sind die Konkurrenten um Google, Microsoft, Apple, IBM, HP, Dell und viele mehr, die vor Ort einen Sitz haben, bis ich verstand, wie junge Amerikaner ticken.
Viele junge Amerikaner, ziehen nach oder für Ihren Abschluss in große Metrolpolregionen, meist weit weg von der Heimat. Sie hoffen darauf („the power of hope“, Michelle Obama) entdeckt zu werden oder einfach nur Glück zu haben. Viele erreichen ihr Ziel, andere nicht. Gebildete junge Menschen, die dann, weil sie eben kein Glück hatten, ganz andere Jobs erledigen. Da war mir klar, dass wir genau da ansetzen können. Die Zahlen und Statistiken bewiesen, dass es für jede Stelle (im IT-Bereich) in Austin 2-3 Bewerber gab. Bingo! Wir brauchen nur ein paar davon. Abgesehen von vielen weiteren Faktoren wie der geringen Steuerlast und dem allzeit guten Wetter ohne Tornadogefahr spielten auch der direkte Austausch mit Unternehmern eine Rolle, die bereits vor Ort waren, sind, oder vorhaben dorthin zu gehen. Und so fanden wir auf YouTube die Familie Achtermeier, die witziger Weise keine 50km entfernt wohnte, die ebenso nach Austin wollte und uns etwa 3 Monate voraus war. Der Austausch mit ihnen und auch von ihren Erfahrungen partizipieren zu können, kombiniert mit all den gesammelten Infos, brachten dann Austin in Texas als finalen Standort hervor. Wie verrückt die Dinge doch manchmal sein können.
Wer aufmerksam mitgelesen hat, wird feststellen, dass wir uns nun für einen Standort entschieden, in dessen Bundesstaat wir noch nie zuvor gewesen sind. Also: Die nächste Reise für April wurde angesetzt.
Im April bestätigten sich dann alle positiven Vorurteile. Austin war perfekt. Modern, sauber, sehr gute öffentliche Schulen, niedrige Kriminalitätsraten, üppiges Wohn- und Büroangebot, eine Vielzahl an Aktivitäten, ein sehr geringer Altersdurchschnitt, mehr als 100k Schüler und Studenten in der Stadt und vieles mehr.
Also gründete ich in Texas die SkySystems USA Corp., mietete ein Büro an und kümmerte mich auch um die privaten Angelegenheiten. Immer mit dabei waren meine Frau und die beiden Kids.
Zum 01.10.22 sollte dann endlich der Betrieb in den USA starten.
Björn Steinbrink, CEO
SkySystems USA Corporation